Traumatherapie

Wie ich in der Praxis arbeite

Traumaarbeit hat oftmals den Ruf, rückwärtsgewandt zu sein, alten Schmerz wieder wachzurufen, der doch in die Vergangenheit gehört und damit irrelevant sei für die Gegenwart. Ich bin auch kein Freund von anlasslosem Wühlen in der eigenen Trauma-Biographie, wo das gar nicht nötig ist, ja sogar schädlich sein kann.

Die aus den USA kommende False-Memory-Bewegung geht so weit, Therapeuten zu unterstellen, dass sie Kindheitstraumata zuweilen (unbewusst) selbst konstruieren, um etwas zu behandeln zu haben. Diese durchaus reale Gefahr besteht vor allem bei Anfängern, die ihre eigenen frühen Prägungen noch nicht ausreichend bearbeitet haben und diese dann auf ihre Patienten projizieren. Meines Erachtens sollte Therapie zukunftsgewandt sein und im Hier und Jetzt ansetzen, bei den gegenwärtigen inneren Strukturen des Patienten, die er sich anschauen und verändern möchte, weil sie ihm nicht mehr dienlich sind. Das heißt, dass jede meiner traumatherapeutischen Sessions mit einem aktuellen Anliegen beginnt, das der Alltag mit sich bringt. Was bringt den Patienten zu mir? Was will er verändern? Wo ist die intendierte Veränderung nicht möglich? Was hindert ihn? Was will er wirklich?

„Therapie bedeutet für mich eine innere Neuausrichtung auf das, was meinem seelischen Potenzial vor dem Hintergrund meiner Lebenserfahrung entspricht.“ (Michael Gollmer)

Dieses Anliegen, diese zukunftsgewandte Intention des Patienten, ist der Ansatzpunkt für die Arbeit mit den inneren Strukturen des Patienten, die natürlich oftmals durch frühe Prägungen und Traumata geformt wurden. Wir arbeiten aber nur dann mit zurückliegenden traumatischen Ereignissen, wenn diese noch von Relevanz im Hier und Jetzt sind, wenn sie dazu geführt haben, Muster und Schutzmechanismen zu entwickeln, die uns heute im Weg stehen, weil sie zum Beispiel bestimmte Gefühle unterdrücken. Die eigentliche Arbeit ist keine Arbeit mit traumatischen Ereignissen, sondern immer eine Arbeit mit den inneren psychischen Anteilen des Patienten im Hier und Jetzt. Nur da, wo diese Anteile noch in der vergangenen Erfahrung feststecken, ist es sinnvoll, nochmals dorthin zurückzugehen, um den Anteil sozusagen dort abzuholen und in die Gegenwart zu bringen. Kindliche Anteile, die sich beispielsweise noch ausgeliefert und hilflos fühlen, können so Schritt für Schritt zu mehr Selbstbestimmtheit und Autonomie finden.

Zugang zu diesen inneren Anteilen findet der Patient darüber, dass er mit ihnen in Resonanz geht. Das ist ein Vorgang, der über die Wahrnehmung der eigenen Gefühle und des eigenen Körpers geht, kein rein kognitiver oder rationaler Ablauf, wobei es immer auch um ein Verstehen geht. Letztlich ist diese Art der Therapie ein Prozess der Selbstbegegnung und der Selbsterkenntnis. Was uns im Leben widerfahren ist, hat uns geprägt und bestimmt bis zu einem gewissen Grad unsere Identität. Meine Überzeugung ist aber, dass wir als Menschen immer mehr sind, als die Summe unserer Lebenserfahrung. Das heißt, dass es mir wichtig erscheint, dass wir uns als transzendente Wesen betrachten, deren Essenz seelischer Natur ist. Und da, wo diese spirituelle Ebene von Bedeutung ist, beziehe ich sie in meine Arbeit ein. Das bringt eine gewisse Leichtigkeit in die Therapie, für die meine Klienten dankbar sind.