Buchempfehlung, Traumatherapie

Buchrezension: Broughtons kleines Handbuch zur Traumaheilung

photography of people connecting their fingers

Broughtons kleines Handbuch zur Traumaheilung „Zurück in mein Ich“ ist eine Handreichung für jene, die sich und ihre eigenen inneren Traumastrukturen besser verstehen wollen, eine Voraussetzung, um zu einem „gesunden, eigenständigen Erwachsenen“ zu werden.

In dieser komplett überarbeiteten Neuausgabe geht Broughton insbesondere auf unsere ganz frühen Prägungen ein. Frühe emotionale Wunden können nicht nur durch Gewalterfahrungen entstehen, sondern auch durch das, was uns in unseren frühesten Entwicklungsphasen fehlte. Was, zum Beispiel, macht es mit uns, wenn wir als Kind nicht willkommen waren, keine echte Liebe und Geborgenheit erfahren haben? Nun, wir lernen, damit zu leben. Doch zu welchem Preis? Broughton beschreibt in ihrem Buch, dass genau jene Anpassungsmechanismen und Überlebensstrategien, die uns vor dem Schmerz fehlender Zuneigung zu Beginn unseres Lebens schützen, dazu führen können, dass wir uns selbst verlieren: „Diese Überlebensmechanismen wirken sich störend auf die Fähigkeit aus, unsere Ziele zu erreichen, gute Beziehungen zu anderen Menschen zu knüpfen, glücklich, zuversichtlich und leistungsfähig zu sein, klare Entscheidungen zu treffen, Liebe zu empfinden und uns geliebt zu fühlen.“ Broughtons Weg zurück ins Ich ist ein Weg zurück in die Eigenständigkeit, zu einem Ich-Zustand, in dem wir nicht mehr vom Urteil anderer abhängig sind, sondern unser Selbstwertgefühl aus uns selbst schöpfen. 

Ihrem Traumabegriff entsprechend sind wir alle mehr oder weniger von Trauma betroffen, sind Opfer von frühen Psychotraumata, auch wenn diese oft im Dunkeln liegen. Aber es gibt Wege mit den Folgen davon konstruktiv und heilsam umzugehen. Hilfreich ist dabei Broughtons klare Definition von Trauma. Von Trauma kann man nach ihrer Definition dann sprechen, wenn die folgenden vier Kriterien erfüllt sind: Das Traumaopfer fühlt sich überwältigt und kann Körper und Psyche nicht mehr selbst regulieren. Es fühlt sich ohnmächtig und der Situation ausgeliefert. Es fühlt sich existenziell bedroht, wird resignativ und fürchtet, die Situation möglicherweise nicht zu überleben. Um das Überleben zu sichern, spaltet seine Psyche die verheerende Erfahrung ab. Mit diesen inneren Spaltungen kann man arbeiten. Broughton macht dies, indem sie ihre Patienten damit liebevoll in Resonanz gehen lässt. Es ist ein Prozess der Selbsterforschung, ein Verstehen der eigenen inneren Strukturen, ein inneres Aufräumen. Dort, wo noch Schmerz und andere Gefühle abgespalten sind, werden sie behutsam wieder zugänglich gemacht. Dort, wo sich innere Schutzmechanismen etabliert haben, die uns heute selbst im Weg stehen, können diese Schritt für Schritt aufgelöst werden, je weniger wir sie noch benötigen. 

Broughtons Buch ist ein Handbuch zur Traumaheilung im besten Sinne: Es vermittelt uns einen theoretischen Rahmen, den wir für eine selbstbestimmte Therapie brauchen. Es nimmt uns aber auch emotional an der Hand, erlaubt uns, in uns selbst hineinzufühlen, und zu schauen, wo wir in uns eine Resonanz spüren, wenn Broughton uns nochmals gedanklich durch unsere Zeit im Mutterleib, durch die Geburt und die ersten Jahre begleitet. Gerade diese frühen präverbalen Entwicklungsphasen, an welche wir keine kognitiven Erinnerungen haben, sind die entscheidenden.

Diese Rezension wurde zeitgleich auch auf Weltbild veröffentlicht.