Buchempfehlung

Buchrezension: Die Heldenreise des Bürgers von Raymond Unger

Wir Menschen sind komplexe Wesen. Und noch komplexer ist die Zeit, in der wir leben. Viele Irrwege wurden in den letzten Jahren beschritten; und es ist gar nicht so leicht, sich das einzugestehen, weder kollektiv noch individuell.

Raymond Unger versucht in seinem neuen Buch „Die Heldenreise des Bürgers“ gesellschaftlichen Entwicklungen auf den Grund zu gehen, tiefer liegende Ursachen herauszuarbeiten. Zwei Krisen beleuchtet er genauer: die Corona- und die Ukrainekrise. In beiden Fällen plädiert er dafür, sich ein eigenes Bild zu machen, Politik und Medien nicht blind zu folgen.

Was es braucht, um sich nicht zu verrennen, ist ein differenzierter, erwachsener Blick, der auch Zwischentöne in der Wahrnehmung zulässt, nicht nur schwarz und weiß sieht. Wie schwierig das zuweilen ist, zeigt er auf, indem er unsere infantilen psychischen Muster freilegt: Wessen Psyche nicht erwachsen ist, wird sich auch nicht erwachsen verhalten können. Unsere kindlichen Strukturen sehnen sich danach, sich an Autoritäten festhalten zu können, von ihnen Klarheit zu erhalten, was gut und was böse ist, was rettend und was gefährlich. Das nimmt uns die Angst und erleichtert uns. 

Was aber, wenn sich die Autoritäten irren, wenn die Welt komplexer ist, als uns lieb ist? Dann kann es kritisch werden. Die Folgen können verheerend sein, heute mehr denn je. Und so gilt es genau hinzuschauen, ob das, was uns als das Rettende verkauft wird, nicht oft die eigentliche Gefahr ist. Wessen Wahrnehmung allerdings von infantiler Angst und moralischer Selbstüberschätzung getrübt ist, wird derart kritische Nachfragen selbst als Gefahr sehen und jene, die sie aufwerfen, aus dem Diskurs ausschließen wollen. 

Raymond Unger

Wie kommt man da heraus? Als Therapeut und Künstler geht Raymond Unger den Weg nach innen. Nur in der individuellen Konfrontation mit unserer eigenen Psyche kann der Bürger jene Souveränität erreichen, die es braucht, um den Durchblick zu behalten und sich nicht von den vorherrschenden gesellschaftlichen Kräften manipulieren zu lassen. Wer zum Gestalter seines eigenen Lebens wird, ganz so, wie es seiner echten Identität entspricht, wird frei, selbstbestimmt und unbestechlich. Darum geht es in der sogenannten Heldenreise, die Unger anhand von elf Stationen beschreibt.

Letztlich geht es Unger darum, aufzuzeigen, dass der Mensch mehr ist als eine programmierbare Maschine, dass wir alle eine Seele haben, die es nach Sinnerfüllung dürstet. Auch wenn Unger anhand zahlreicher Beispiele den Finger in die Wunde legt, so ist er doch optimistisch, dass der Mensch in der Lage und willens ist, das, was ihn in Ungers Augen ausmacht, wiederzuentdecken: seine empathische Erkenntnisfähigkeit und sinnliche Schöpferkraft. 

Man muss Unger nicht in allen Punkten seiner gesellschaftlichen Analyse zustimmen, um ihn für sein zukunftsweisendes Bild eines wirklich mündigen Menschen zu feiern. Als Therapeut mit kreativem Hintergrund nehme ich genau das aus der Lektüre seines Buches mit und lasse mich davon in meiner therapeutischen Begleitung leiten. Der Weg dorthin, den Unger als Heldenreise bezeichnet, ist ein Weg der Selbstbegegnung. Und die Fragen, welche diese Reise zwangsläufig aufwirft, sind nur individuell zu beantworten.

Diese Rezension wurde zeitgleich auch auf amazon.de, Weltbild und Thalia veröffentlicht.