Was würde sich mit meiner Selbstliebe ändern? Wie sähe mein Leben aus, wenn ich mich wirklich wertschätzen würde? Ein Beitrag über das Anliegen empathischer Selbstzuwendung.
Es fängt damit an, dass ich meine Bedürfnisse spüre. Dass ich wahrnehme, was mein Körper braucht. Dass ich diese Bedürfnisse ernst nehme. Es ist egal, was andere von mir erwarten. Es ist egal, was andere über mich denken. Wenn ich ganz bei mir und in meinem Körper bin, spüre ich, was richtig für mich ist. Das ist der Maßstab für mein Tun. Das ist, was mir entspricht. Aus dieser Position heraus kann ich die Entscheidung treffen, Verantwortung für mich selbst zu übernehmen, für mich selbst einzustehen.
Wenn die Gefühle wieder fließen dürfen, können sie auch leichter wieder gehen. Negative Gefühle, die unterdrückt werden, bleiben. Wer aber ungute Gefühle zulassen kann, kann sich von ihnen befreien. Dann können auch die angenehmen Gefühle wieder da sein.
Es sind unsere frühen Prägungen, die Glaubenssätze unserer Kindheit, die uns verbieten, bestimmte Gefühle und Grundhaltungen zuzulassen: Wut und Arroganz zum Beispiel. Aber auch sie gehören zu einem ganzheitlichen Leben. Wir brauchen sie, um anderen gesunde Grenzen zu setzen, um den Raum einzunehmen, den wir für unsere gesunde Entfaltung benötigen. Nur in der Ganzheit sind wir wirklich gesund.
Gefühle auszuleben ist dabei kein Selbstzweck. Es geht vielmehr darum, sie nicht mehr zu unterdrücken. Dann können sich auch alte Traumagefühle auflösen. Manchmal braucht das Zeit, weil die Gefühle, die wir in unserer frühen Kindheit abgespalten haben, sehr heftig sein können. Es braucht auch einen geeigneten Rahmen, ein stabiles Umfeld, auf das wir uns verlassen können, um da überhaupt durchgehen zu können. Das heißt auch, sich von Täter-Opfer-Dynamiken dominierten Systemen klar zu trennen. Wo Freiräume und Sicherheit existieren, kann sich etwas lösen. Das erfordert Geduld und die Weisheit, sich nach und nach eine Umgebung zu schaffen, in der Selbstheilung möglich werden kann.
Ohne die Bereitschaft zur Aufgabe von Illusionen kommen wir auf diesem Weg nicht weiter. Illusionen über vermeintliche Freundschaften etwa, die uns eigentlich nicht guttun, Illusionen über eine glückliche Kindheit, oder dass doch alles in Ordnung sei, müssen wir hinter uns lassen. Es kann sehr schmerzhaft sein, zu erkennen, dass man sich lange Zeit etwas vorgemacht und sich darum auch falsch verhalten hat. Im Erkennen dieser Wahrheit liegt aber letztlich der Schlüssel zur eigenen Freiheit und Selbstliebe.
„Weisheit entsteht aus der Kombination von Gefühl und Verstand.“ (Prof. Franz Ruppert)
Der Weg geht über das Spüren: das Zulassen des eigenen Schmerzes, der eigenen Tränen. Wenn uns dies schwerfällt, können wir da ansetzen, wo es in Ansätzen bereits möglich war und dem Raum geben. Wenn sich der Schmerz gelöst hat, kann ich mich den entscheidenden Fragen stellen: Wer bin ich, wenn ich mich mit meiner Traumabiographie annehme, wie ich wirklich bin? Wer bin ich, wenn ich mich nicht mehr vor mir selbst verstecke? Wer bin ich, wenn ich meine Maske, mit der ich von anderen gesehen werden möchte, abnehme? Wenn ich ganz bei mir bin, kann auch Beziehung gelingen und ein gutes Leben wird möglich.