Gruppenarbeit, Hauptartikel, Traumatherapie

Grundlagen identitätsorientierter Traumatherapie

Die Identitätsorientierte Psychotraumatherapie (IoPT) ist ein psychotherapeutisches Verfahren, das sich auf die Identitätsentwicklung des Menschen im Kontext seiner frühen Bindungsbeziehungen konzentriert.

Die von Prof. Franz Ruppert und Vivian Broughton entwickelte Traumatheorie geht davon aus, dass eine entscheidende Ursache psychischer und körperlicher Störungen in den Auswirkungen früher Traumatisierungen liegen kann. Die Basis der IoPT bildet dabei die Bindungsforschung von John Bowlby, welche zu dem Schluss kam, dass die Art und Weise, wie ein Kind mit seinen Bindungspersonen interagiert, seine spätere emotionale und psychische Gesundheit maßgeblich beeinflusst. Sicher gebundene Personen neigen dazu, in Krisensituationen resilienter zu sein, während unsicher gebundene traumaanfälliger sind.

Die Psychotraumatologie untersucht die Auswirkungen von traumatischen Ereignissen auf das Erleben und Verhalten von Betroffenen. IoPT nutzt diese Erkenntnisse, um zu erklären, wie Psychotrauma die Psyche spalten kann, was mit der Entwicklung von Überlebensstrategien einhergeht, die zwar kurzfristig nützlich, langfristig aber dysfunktional sein können.

Zwei zentrale Aspekte des IoPT-Ansatzes sind die Selbstbestimmtheit des Klienten und die Arbeit mit Resonanzgebern. Die Selbstbestimmtheit äußert sich unter anderem darin, dass der Klient sein Anliegen bzw. seine therapeutische Intention – eine Frage oder ein Thema, das er untersuchen oder lösen möchte – selbst formuliert und aktiv an der Gestaltung seines Heilungsprozesses beteiligt ist.

In IoPT-Gruppenaufstellungen werden Resonanzgeber eingesetzt, welche die verschiedenen Aspekte des Anliegens des Klienten verkörpern. Diese Resonanzgeber spiegeln durch ihre Empfindungen und Wahrnehmungen unbewusste psychische Strukturen des Klienten wider, was zu tiefen Einsichten führt. Im Einzelsetting kann der Klient auch selbst mit diesen Strukturen in Resonanz gehen und, begleitet durch den Therapeuten, damit arbeiten.

Therapeutisches Ziel ist die Auflösung der durch Trauma verursachten Persönlichkeitsspaltung. Dies geschieht durch:

  • Das Durchschauen der Überlebensstrategien, um mehr Raum für gesunde psychische Anteile zu schaffen.
  • Das Stärken der gesunden Anteile, insbesondere durch die Entwicklung eines stabilen Ichs und eines eigenen Willens.
  • Die Begegnung zwischen den gesunden und den traumatisierten Anteilen zur Integration.

In dieser englischspragichigen Studie wird ganz gut beschrieben, wie die IoPT-Methode dabei zur Selbsterkenntnis beitragen kann: Getting to Know the Inner Self. Exploratory Study of Identity Oriented Psychotrauma Therapy—Experiences and Value From Multiple Perspectives (Frontiers in Psychiatry, 2021)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass IoPT eine effektive Möglichkeit der selbstbestimmten Erforschung und Heilung traumatisierter Anteile der eigenen Psyche anbietet. Durch die Arbeit mit Resonanzgebern wird ein tieferes Verständnis der eigenen inneren Dynamiken ermöglicht, was zur psychischen Integration und Ganzwerdung des eigenen Ichs beitragen kann. Diese Therapieform spricht Menschen an, die bereit sind, aktiv an ihrer inneren Heilung zu arbeiten und die Tiefe der Bindungserfahrungen und deren Auswirkungen auf ihre Identität verstehen möchten.